Aktuell: Musliminnen und Muslime im Kanton Zürich
Im Kanton Zürich bekennen sich fast 100’000 Menschen zum Islam (Quelle: VIOZ 2013), was einem Bevölkerungsanteil von knapp 10 Prozent entspricht.
Gesamtschweizerisch leben heute rund 435’000 Muslime in der Schweiz (Quelle: VIOZ 2013) und damit liegt ihr Anteil an der gesamten Bevölkerung bei über 5 Prozent. Ein grosser Teil der Schweizer Muslime kam vor über 20 Jahren aus Ex-Jugoslawien (ca. 60%) sowie der Türkei (ca. 20%). Heute ist ein Drittel der Muslime Schweizer (Quelle: Bundesamt für Statistik).
Die Muslime in der Schweiz sind zu einem grossen Teil eine ethnisch und sprachlich heteroge Gemeinschaft. Ihr Anteil der zweiten und dritten Generationen nimmt kontinuierlich zu und Kinder der damals eingewanderten Menschen sind von klein auf mit der schweizerischen Kultur und Alltag vertraut und fühlen sich als Schweizer Bürger. Sie sind nicht nur Träger unserer Gesellschaft sondern können zudem als Brückenbauer einen wichtigen Beitrag zum besseren Miteinander in der Schweiz leisten und bilden die grösste religiöse Gemeinschaft nach den christlichen Landeskirchen.
Da der Islam keine einheitlichen, kirchlichen Strukturen kennt, führte dies zu einer disparaten Vielzahl unterschiedlicher Vereinigungen, Vereinen und Stiftungen. Heute gibt es in der Schweiz über 300 islamische Organisationen. Die meisten sind nach ihrer ethnischen, sprachlichen oder nationalen Herkunft ausgerichtet. Um dieser organisatorischen Zersplitterung entgegenzuwirken, entstanden gemäss der föderalen Struktur unserer Landes kantonale Dachverbände in denen sich Moscheen und muslimische Organisationen zusammenschlossen, die multiethnisch organisiert sind und auch verschiedene Rechtsschulen vertreten.
Im Kanton Zürich bekennen sich fast 100’000 Menschen zum Islam (Quelle: VIOZ 2013), was einem Bevölkerungsanteil von knapp 10 Prozent entspricht.
Gesamtschweizerisch leben heute rund 430’000 Muslime in der Schweiz (Quelle: VIOZ 2013) und damit liegt ihr Anteil an der gesamten Bevölkerung bei über 5 Prozent.
Ein grosser Teil der Schweizer Muslime kam vor über 20 Jahren aus Ex-Jugoslawien (ca. 60%) sowie der Türkei (ca. 20%). Heute ist ein Drittel der Muslime Schweizer (Quelle: Bundesamt für Statistik).
Die Muslime in der Schweiz sind zu einem grossen Teil eine ethnisch und sprachlich heteroge Gemeinschaft. Ihr Anteil der zweiten und dritten Generationen nimmt kontinuierlich zu und Kinder der damals eingewanderten Menschen sind von klein auf mit der schweizerischen Kultur und Alltag vertraut und fühlen sich als Schweizer Bürger. Sie sind nicht nur Träger unserer Gesellschaft sondern können zudem als Brückenbauer einen wichtigen Beitrag zum besseren Miteinander in der Schweiz leisten und bilden die grösste religiöse Gemeinschaft nach den christlichen Landeskirchen.
Da der Islam keine einheitlichen, kirchlichen Strukturen kennt, führte dies zu einer disparaten Vielzahl unterschiedlicher Vereinigungen, Vereinen und Stiftungen. Heute gibt es in der Schweiz über 300 islamische Organisationen. Die meisten sind nach ihrer ethnischen, sprachlichen oder nationalen Herkunft ausgerichtet. Um dieser organisatorischen Zersplitterung entgegenzuwirken, entstanden gemäss der föderalen Struktur unseres Landes kantonale Dachverbände in denen sich Moscheen und muslimische Organisationen zusammenschlossen, die multiethnisch organisiert sind und auch verschiedene Rechtsschulen vertreten.
Geschichte: 19.-20. Jh.
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Geschichte: 11.-18. Jh.
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Geschichte: 9./10. Jh. - "Sarazenen" in den Alpen
Einleitung
Oft geht man davon aus, dass die Schweiz vor knapp eintausend Jahren bereits in ihrer heutigen Form von Menschen mit ähnlichen Riten und Religionen besiedelt wurde. Tatsache ist jedoch, dass sich im ersten Jahrtausend des gregorianischen Kalenders unsere Bevölkerung aus verschiedenen Völkern zusammensetzte und vielerorts heute als fremd erscheinende Kulturen mit autochthonen Religionen den Schweizer Alltag darstellten.
Nach Römern, Alemannen und Kelten die selbst ursprünglich aus Vorderasien nach Europa kamen und die Schweiz in den ersten 4 Jahrhunderten besiedelten, wurden diese später durch das mittelasiatische Reitervolk der Hunnen überrannt, dessen Spuren sich bis heute in der Schweiz ebenso finden lassen wie die, der beispielsweise in der Westschweiz einziehenden Burgunder. In diesem Zusammenhang lässt sich nachvollziehen, dass die heute oft anzutreffende keltische Bezeichnung ‚Helvetia‘ (z.B. confoederatio helvetica – CH) nicht verwendet wird, weil die keltischen Helvetier einen besonderen Beitrag zur heutigen Schweiz oder in Bezug auf ihre heutige Bevölkerung gehabt hätten, sondern nur deswegen, da man viele Jahrhunderte ausschliesslich lateinisch schrieb und diese frühe römisch-lateinische Bezeichnung sich dadurch einfach in den Schriften erhielt.
Später, im 4. Jahrhundert der Hidschra (zu Beginn des 10. Jahrhunderts des gregorianischen Kalenders) durchwanderten u.a. die Magyaren die Schweiz, so dass beispielsweise Ortschaften wie Chur nach magyarischen Überfällen, wenige Jahre danach von den Sarazenen und anschliessend von den Truppen des Deutschen Kaisers abwechselnd eingenommen wurden.
Zahlreiche hiesige Primärquellen wie handschriftliche Chroniken, Funde und Bauten, die in den folgenden Abschnitten aufgezeigt werden, weisen auf dieses muslimische Erbe der Besiedlung der Schweizer Alpen durch die Muslime und die durch Verträge entstandene Besitznahme von Teilen der Schweizer Alpen durch sie vor über eintausend Jahren hin. Die historischen Quellen erlauben einen geschichtlichen Ein und- Überblick und belegen, dass die muslimischen Sarazenen einen Teil der Alpen urbar machten und erstmalig besiedelten [vgl. z.B. die ‚Chronik von Staldenried‘ Wallis] sowie technische Neuerungen, wie beispielsweise Wasserführungen in den Alpen (Suonen) brachten, die bis heute zu finden sind. Man darf zudem aufgrund der damaligen Eheschliessungen, die u.a. in den rund tausendjährigen Chroniken des Klosters St. Gallen beschrieben sind davon ausgehen, dass die Sarazenen insbesondere im Wallis (aber auch in anderen Alpenkantonen sowie der französischsprachigen Westschweiz) Bestandteil Schweizer Familienstammbäume sind.
Wie im Weiteren aufgezeigt wird, bildete die Schweizer Alpenregion zudem eine von den Herrschern der damaligen Zeit anerkannte Enklave des andalusischen Kalifats der Umayyaden. Daher ist davon auszugehen, dass insbesondere arabische Quellen aus der iberischen Blütezeit des Umayyaden-Kalifats zukünftig weitere Belege liefern werden [vgl. z.B. H.-R. Singer, Lex. MA III, Sp. 882].
Um einer in der Vergangenheit oft oberflächlich, ja teilweise emotional geführten Diskussion über Vermutungen, insbesondere über Namensgebungen, zu entgehen, sollen zu diesem Thema ausschliesslich zeitgenössisch-authentische Quellen sowie einzelne, leider sehr selten zu findenden Kommentare von Historikern die Grundlage des Inhalts bilden. Erst zuletzt sollen der Vollständigkeit halber einige Namensgebungen, die zu Diskussionen Anlass gaben, aufgeführt werden.
Neben den hier aufgrund der Beitragsgrösse nur begrenzt aufgenommen Quellenangaben, sei auf die 12-bändige Islamologische Enzyklopädie (Hrsg. Mag. A. Zaidan, Islamologisches Institut, Wien) verwiesen, die mir eine umfassendere Quellenbenennung zu diesem Thema im 10ten Band erlaubte. Die Islamologische Enzyklopädie kann über den Herausgeber bezogen werden, ist aber auch in den Räumlichkeiten der Bosnischen Gemeinde Schlieren als Waqf-Exemplar in der Moscheebibliothek vorhanden und einsehbar.
Geschichtliche Einordnung der Sarazenischen Präsenz in der Schweiz
Wenn die Sarazenen in unseren Lehrmitteln überhaupt erwähnt werden, dann wird oft nur unsachlich über deren Einfall in die Schweiz wage kommentiert. Faktisch gab es hingegen zwei sich grundsätzlich unterscheidende Sarazenische Perioden in der Schweiz, wobei die Zweite i.d.R. gänzlich ausgeblendet wird und weitestgehend unbekannt zu sein scheint.
Die erste über 40 Jahre dauernde Periode gegen Ende des 3 Jahrhunderts der Hidschra (zu Beginn des 10. Jahrhunderts des gregorianischen Kalenders) entspricht dem Bild einer Besetzung von Alpentransversalen sowie unbesiedelten Gebieten vorwiegend im Oberwallis.
Während dieser ersten Periode fanden Streif- und Feldzügen durch das gesamte nördliche und südliche Alpenvorland statt und sie endete mit der Vertreibung durch die Truppen des lombardischen Königs Hugo (330/942).
Die zweite unmittelbar darauf folgende und über 30 Jahre andauernde Periode war eine durch den siegreichen König Hugo legitimierte Besitzübertragung eines grossen Teils des Schweizerischen Alpenraums an die Sarazenen.
Diese zweite Periode als umayyadische Enklave beinhaltete u.a. auch das legitimierte Zoll- und Wegerecht für den Alptransit, wie dies etwa den Annalen Flodoard‘s (281-355/894-966) zu entnehmen ist, sowie weitreichenden Handel im Alpenvorland, der bis nach Basel und zum Bodensee reichte. Ihr Ende fand diese zweite Periode mit der blutigen Verfolgung und Vertreibung ab 361/972.
Nach 362/973 werden die Sarazenen kaum mehr erwähnt, jedoch haben sich gemäss Bernhard von Menthon, der 441/1050 das Hospiz bzw. die Kongregation des Grossen Sankt Bernhard gründete, weiterhin einige Sarazenen bis in die erste Hälfte des 5./11. Jahrhunderts in den Alpen aufgehalten.
Die erste Periode (ca. 287-330/900-942)
Die Sarazenen kamen, wie zahlreiche Quellen berichten, ca. 276/890 von der damals muslimischen iberischen Halbinsel (heutiges Spanien) während der Umayyaden Herrschaft des 6. Umayyaden Emirs von Cordoba al-Mundir (272-274/886-888) sowie dem 7. Emir Abdallah ibn Muhammad (274-299/888-912) mit Schiffen in die Gegend um St. Tropez (lat. Fraxinetum, arab. ‚Farakhshinît) in Südfrankreich.
Von dort aus zogen sie nordöstlich durch die französische Provence sowie durch das italienische Piemont und die ligurischen Berge, wo sie gegen Ende des 3 Jahrhunderts der Hidschra (anfangs des 10. gregorianischen Jahrhunderts) erstmals die Alpen überschritten.
Wie u.a. das ‚Historische Lexikon der Schweiz‘ (HLS) festhält, waren die Sarazenen ab 307/920 im Wallis und ein Jahr später bereits in Churrätien. Sie besetzten die Schweizer Alpendurchgänge, so z.B. den Simplon, die Tessiner Pässe und den St. Bernhard. Sie gründeten verschiedene Siedlungen von wo aus sie Handel trieben aber auch Pilger und Kaufleute um ihren Besitz erleichterten und in die Voralpen (südlich und nördlich) ausgiebige Beuteunternehmen tätigten. Sie drangen ins Jura vor und erreichten Neuchâtel, Appenzell, Sargans und durch das Rheintal den Bodensee sowie im Süden das Tessin, was in den geschichtlichen Beschreibungen des Castelo Grande in Bellinzona erwähnt ist [vgl, z.B. D. Grüter, 2006].
Hierzu seien insbesondere die folgenden konkreten Ereignisse erwähnt, die im Ost- und Westschweizer Voralpenraum nachweislich stattfanden.
Nachdem sie bereits in den 310’er/920’er Jahren im Wallis sind [HLS], überfallen sie in der Ostschweiz 323/935 die Abtei von St. Gallen [Vgl. ASS St. Gallen] und besetzen 324/936 das Bistum Chur, wobei sie gemäss der geschichtlichen Beschreibung des Bistums Chur innerhalb eines Jahres auch den Bischofssitz in Chur ausraubten [vgl. Dr. A Fischer, 2008]. 325/937 besetzen sie das westliche Mittelland und nehmen Payern ein [vgl. Stadtwanderer, 2006], wo gewisse Händler bis heute ‚Mauri‘ heissen und sichern sich gemäss einer handschriftlichen Neuchâteler Chronik die Festung von Avenches 326/938 [vgl. MB 154, 1830].
Um 328/940 fliehen die Mönche des Pacidus Sigisbert Klosters von Disentis nach Zürich um wertvolle Reliquien in Schutz zu bringen, da Teile ihres Klosters von den Sarazenen zerstört wurden. [HLS sowie BM, 2009 u.a.]
Ebenfalls um 328/940 findet die Zerstörung der Kirche des Hospizes in Bourg-Saint-Pierre am Gr. St. Bernhard statt [HLS] und, wie dem historischen Archiv des Abbaye de Saint-Maurice zu entnehmen ist, nehmen sie zudem 328/940 das Städtchen Saint-Maurice ein.
Zu den Funden, die diese erste Periode widerspiegeln zählt beispielsweise die Inschrift der steinernen Türschwelle zur Kirche Saint-Pierre-Montjoux, die im Jahre 1152/1739 erstmals von Sebastian Briguet entziffert wurde. Der in ottonischem Stil gehaltene lateinische Text beschreibt den Einfall der Sarazenen (Ismaelita Cohors) in das Rhone (Rhodani) Gebiet und dessen Auswirkungen, wie Hungersnöte, Brände und Kämpfe im Wallis (Poeninam). Der im selben Text genannte Kirchenerbauer Bischof Hugo von Genf lebte bis 409/1019 und archäologische Untersuchungen ergaben eine Bauzeit der Kirche um das Jahr 390/1000.
Daneben weisen Gebäude auf die erste Periode der sarazenischen Präsenz hin. Beispielsweise, wenn sie erbaut wurden um sich ihrer zu erwehren, wie die bereits erwähnten Ausbautätigkeiten des Castelo Grande in Bellinzona oder Gebäude, die im Gedenken an eine sarazenische Invasion errichtet wurden. Hierzu zählt etwa die Kirche Sontga Gada (in Acla da Fontauna bei Disentis), die gemäss öffentlichen Angaben der Gemeinde Disentis zur Erinnerung an die Invasion der Sarazenen von 328/940, die zu deren Gedenken um ca. 493/1100 erbaut wurde.
Das Ende der ersten Periode wurde durch die Vertreibung der Sarazenen durch König Hugo herbeigeführt.
König Hugo herrschte über die Lombardei, die Provence und grosser Teile des Burgunds. Er hatte seine Krone vom ermordeten Kaiser Berengar geerbt und befand sich im Krieg mit dem Markgrafen Ivrea Berengar, der als Enkel des ermordeten Monarchen Berengar die Krone Hugo’s beanspruchte.
Markgraf Berengar zählte die Sarazenen zu seinen Verbündeten und unterstütze sie, da sie in den Alpen Hugo’s zur Destabilisierung beitrugen. Als er sich zudem mit Herzog Hermann von Schwaben verbündete um den deutschen Kaiser Otto den Grossen (Otto I.) zu umwerben erachtete König Hugo die Sarazenen in den Alpen als zu grosse Gefahr und bekämpfte und verfolgte sie bis nach St. Tropez, wo er sie zusammen mit der zu Hilfe gerufenen damaligen Seemacht der byzantinischen Flotte mit deren griechischem Feuer nahezu vernichtete, bevor er mit ihnen um 330/942 einen Vertrag schloss, der die Situation massgeblich veränderte und die zweite Periode einläutete.
Die zweite Periode (ca. 330-362/942-973)
In dem zuvor genannten Vertrag von 330/942 übergab König Hugo die Schweizer Alpenräume den Sarazenen, worüber sich beispielsweise der Chronist Luitprand von Cremona (307-361/920-972) derart erboste, dass er eine anklagende Ode darüber verfasste.
König Hugo schloss diesen Vertrag mit der Absicht, dass die Sarazenen in den Alpen das verfeindete Schwaben und das Gebiet des Markgrafen Berengars von seinem Reichsgebiet südlich der Alpen räumlich trennen und vor einem Angriff schützten sollten. [vgl. ‚Regesta Imperii‘, Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz]
Damit waren die Sarazenen nun legitimiert Zölle zu erheben, wie es beispielsweise der Chronist Flodoard (281-355/894-966) berichtet und sich in ihrem eigenen Gebiet niederzulassen, was auch durch belegte Eheschliessungen mit den vorwiegend autochthonen Landestöchtern stattfand [Vgl. Ekkehard (ca. 369-427/980-1036)]. Das Bündnis mit König Hugo wurde durch seinen Tod 334/946 geschwächt, blieb aber weiter bestehen.
Kaum Beachtung findet in diesem Zusammenhang, dass es beim ehrenvollen Empfang von Gesandten, bei dem teure Geschenke ausgetauscht wurden, in den Jahren 338-344 /950-956 zwischen Kaiser Otto I. und dem 1. Umayyaden Kalifen Abdurrahman III. (299-350/912-961) u.a. darum ging, das Otto I. den Kalifen ersuchte Plünderungen im Alpenraum durch die aus Garde-Fraînet stammenden Sarazenen zu beenden. [vgl. Widukind III ca. 312-362/925-973 sowie Luitprand (307-361/920-972) in der Antap. I, 1; III, 1 und ‚Regesta Imperii‘ Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz]
Damit lässt sich festhalten, dass auch der Deutsche Kaiser die Schweizer Alpenräume als Teil des herrschaftlichen Einflussgebiets der spanischen Umayyaden erachtete, was den Alpenraum in dieser zweiten Periode (330-362/942-973) formell zur eigentlichen umayyadischen Enklave unter dem Kalifen Abdurrahman III. sowie seinem Nachfolger, dem 2. Kalifen al-Hakam II. (350-365/961-976) machte. Zudem kann man feststellen, dass keine Feldzüge seitens Otto I. gegen die Sarazenen der Schweizer Alpen bekannt sind; dies im Unterschied zu den zahlreichen Kriegshandlungen gegen die fatimidischen Heere in Italien.
Die Sarazenen betrieben während der gesamten zweiten Periode Handel aus ihrem Alpenrefugium heraus. So waren 338/950 sarazenische Händler vor dem Kloster St. Gallen und im Rheintal anzutreffen [vgl. Stadtwanderer, 2006] sowie 343/955 im westlichen Mittelland (eventuell bis ins Elsass).
Um das Jahr 361/972 erweckten die Alpensarazenen weitbeachtetes Aufsehen aufgrund ihrer Geiselnahme des Abts von Cluny (dem späteren heiligen Majolus) durch ihr grosses Heer, dass von Domherr Prof. Eggs mit 1000 Mann angegeben wurde. Zu erwähnen ist hierzu, dass die vom Chronisten Radolfus Glaber (380-452/990-1060) überlieferte Darstellung dieses Übergriffs auf den Abt den Respekt der Sarazenen vor dem entführten Würdenträger und dessen Reisebibel erwähnt. Dieser Bericht Glaber’s gilt als die früheste nicht polemisch verzerrte Schilderung von Muslimen in der abendländischen Literatur.
Aufgrund der Entführung des Abts bzw. wegen des sehr hohen Lösegelds bildete sich unter dem Edelmann Bobo bzw. Beuvo eine Streitmacht, die die meisten Sarazenenfamilien aus den Alpen von Sisteron her vertrieb. Weitere Grafen und Adlige bildeten anschliessend ebenfalls entsprechende Heere gegen die Sarazenen und schlugen diese bis nach St.Tropez zurück, wo die dortige Festung ca. 362/973 fiel. Sarazenen die sich nicht bekehren liessen wurden ermordet. Nachkommen der Überlebenden besiedeln bis heute die Küstengebiete Südfrankreichs und, wie anfangs erwähnt, lebten auch weiterhin bis in die erste Hälfte des 5./11. Jahrhunderts einzelne sarazenische Gruppen versteckt in den Alpen, wie Bernhard von Menthon (372-473/983-1081) berichtete.
Weitere Sarazenische Funde aus dem 4./10. Jahrhundert
Neben den bereits erwähnten Überlieferungen aus der Zeit der Sarazenen durch verschiedene zeitgenössische Chronisten und neben den bereits genannten Bauten oder Funde wie die steinerne Inschrift der Kirche Saint-Pierre-Montjoux finden sich weitere Fundstücke in verschiedenster Form in den Schweizer Alpen sowie im Alpenvorraum.
An dieser Stelle sollen nur einige Beispiele Erwähnung finden, die die Vielfältigkeit der Funde aufzeigen soll.
Ein erster Fund konnte in der Domkirche Chur gemacht werden. Ab dem 5./11. Jahrhundert wurden Geschenke und Stiftungen an die Domkirche in deren Anniversarien-Büchern festgehalten. Gemäss Dr. F. Keller fehlt jedoch der ältesten Domschätze in diesen Büchern und auch die alten Mobiliarverzeichnisse erwähnen diesen Schatz nicht.
Gemeint ist eines der ältesten Messgewänder, dessen äusserer Teil wiederholt einen Vers in kufischen Schriftzügen zeigt. Dr. F. Keller erwähnte 1273/1856 zudem Aussagen und Sagen um dieses Gewand, die es der Zeit des Aufenthalts der Sarazenen in der Gegend von Chur zuschreiben und auch die Art der Schriftzüge, das Muster und die zugehörigen Abbildungen weisen auf diese Epoche hin. Zur Fertigung der tier- und pflanzenähnlichen Bilder und der kaligrafischen Schrift wurden u.a. feinste gehämmerte Silberfäden um Seide gewickelt und äusserlich vergoldet. Das Messgewand wurde im Laufe der Zeit mit späteren Stücken und Stickereien aus Churrätien überarbeitet so, dass heute nur der äussere Teil, bestehend aus ornamentierten und kufischen Seidenbahnen erhalten ist. Einige Stücke wurden verkehrt herum angenäht, wohl aus Unwissen über die kufische Schrift.
Ein zweiter Fund betrifft Münzfunde aus der Zeit der Schweizer Sarazenen in Landesregionen, die nachweislich von ihnen bewohnt wurden. Zu bemerken ist, dass es in der Schweiz mehrere Funde von arabischen Münzen vor dem 5./11. Jahrhundert gibt, wie historische Münzblätter und archäologische Gesellschaften berichten. So gibt es Funde am Bodensee bei Steckborn, Funde von sassanidischen Silbermünzen bei Ilanz in Graubünden aber auch an verschiedenen Orten der Westschweiz, beispielsweise eine silberne Medaille mit arabischer Inschrift aus dieser Zeit oberhalb von Ryon (VD).
Im Speziellen zählt hierzu auch der Münzfund von Moudon im Kanton Waadt, das 20 km von Payerne (325/937 von den Sarazenen besetzt) und 30 km Avenches, (326/938 von den Sarazenen eingenommen) entfernt ist und inmitten des westschweizer Mittellandes liegt, in welchem sich die Sarazenen im 4./10. Jahrhundert aufhielten. Unter den gefundenen Münzen befinden sich beispielsweise ein ‚ash-Shash‘ Dirham des Ismail b. Ahmad (278-294/892-907) datiert 286/899, ein abbasidischer AR Dirham von 170/786 sowie ein buyidischer AR Dirham von 361/972.
Zuletzt soll auf weitere sarazenische Vermächtnisse hingewiesen werden, deren Ursprung im 4./10. Jahrhundert liegen und die bis dato ihren Dienst erfüllen. Hierzu zählen bauwerkliche Wasserführungen wie beispielsweise die ‚Sarrasin-Suone‘ bei Chandolin oder die ‚bisse de Sarazins‘ bei Vercorins, die in ähnlicher Form auch im marokkanischen Atlas Gebirge anzutreffen sind.
Ebenfalls zu diesen technischen Werken können Brunnen gezählt werden, wie etwa der Brunnen bei Lutry, der urkundlich als Mauro-Fonté bezeichnet wird.
Auffällige Geografische Orts- und Familiennamen
Nebst den Nennungen von sarazenischen Festungsanlagen durch Historiker tragen bis heute Gebäude und Flure in der Schweiz sarazenische Namen. Hierzu zählen u.a. ‚la tour aux Sarrasins‘ bei Vevey, ‚la voute et le creux Sarrasins‘ bei Lucens, die ,mur des Sarrasins‘ bei Avenches oder der ‚Maurmont’ (mauri mons) Hügel bei ‘La Sarraz’.
Wie bereits hingewiesen, war die Erklärung von Schweizerischen Ortsnamen durch die sarazenische Präsenz in den letzten 150 Jahren oft Grund einer oberflächlichen und teilweise emotional geführten Diskussion. Erstaunlicherweise sind es seit sehr kurzer Zeit nun die Gemeinden selbst, die Aufschluss geben. [vgl. z.B. die Webseiten von Disentis und Saas-Almagell]. Als Beispiel sollen hier nur einige wenige Ortbezeichnungen aufgeführt werden, die alle im Abstand von nur 10 km in einem nachweislich von Sarazenen besiedelten Gebiet im Wallis liegen. Hierzu zählen ‚Almagell‘ (arab ‚Station, Hauptlager‘), der Allalin Gletscher (arab ‚an der Quelle‘) und die Eienalp (arab ‚Quelle‘). Die Gemeinde Saas-Almagell schreibt hierzu: ‚Die Sarazenen … besetzten (327/939) auch das Saastal. Ihr Hauptlager war in Almagell. Zu dieser Zeit machten sich auch inländische Hirten und Bauern im Saastal ansässig. Gemeinsam mit den Sarazenen bewirtschafteten sie Land und Wälder und wurden zu einem Volk‘ [Webseite der Gemeinde Saas-Almagell, 2008]
Ein weiterer Name, der oft in diesem Zusammenhang auftauchen und tatsächlich noch historisch aufgearbeitet werden muss, ist beispielsweise Pontresina in Graubünden, welches belegbar bis in die erste Hälfte des 6./12. Jahrhunderts ‚pons sarasina‘ (Sarazenenbrücke) hiess. Auch der alternative Versuch den Ortsname zu erklären führt in dieselbe Richtung, da man dort die Brücke einem Erbauer zuweist, der ‚Saraschin‘ geheissen haben soll.
In Bezug auf Schweizer Familiennamen sei auf die Genealogie (Familienforschung) verwiesen, die die folgenden Schweizer Namen auf einen sarazenischen Ursprung zurückführt: Sarazin, Saladin, Salade, Salathe, Salomon, Sala, Salla, Sallin, Salin und Salahuddin.
Zudem ist den hierin aufgezeigten geografischen Fakten folgend auffallend, dass der Familienname ‚Sarrasin‘ heute in der Schweiz ca. 200 mal fast ausschliesslich in der Westschweiz von Genf bis Sion im Wallis, also entlang der Rôhne vorkommt, was beispielsweise in Online-Telefonbüchern, die die Suchnamen auf Karten zeigen, leicht überprüfbar ist. [siehe bspw. search.ch]
Weitere interessante Auffälligkeiten in Zusammenhang mit dem Gesagten sind entsprechende Familien- oder Stadtwappen. So zeigt beispielsweise das Wappen von Avenches, wo die Sarazenen wie bereits erwähnt 326/938 die Festung inne hatten und bis heute die ‚mur des Sarrasins‘ steht, einen Sarazenen in ähnlicher Darstellung wie man es vom Wappen Korsikas her kennt.
Die in diesem letzten Abschnitt beschriebenen Auffälligkeiten können und müssen aufgrund der vielen anderen Fakten nicht als geschichtliche Belege herhalten. Sie können nur als Indiz dafür dienen, dass es Weiteres zu entdecken und historisch aufzuarbeiten gibt, wozu an dieser Stelle alle Interessierten aufgefordert werden.
Wer also in unserem schönen Land umherreist, sollte dies mit offenen Augen und wachem Verstand tun und wer das Glück hat die iberische Halbinsel zu besuchen, der soll das hierin Beschriebene vor Augen haltend sich nach Quellen und Archiven erkundigen, die weiteren Aufschluss über unsere Geschichte geben könnten.
Insha’Allah werden sich zukünftig auch Historiker vermehrt um dieses Schweizer Erbe bemühen. Denn, die Erkenntnis muslimischer Wurzeln führt zu einem besseren Verständnis der eigenen Kulturgeschichte und könnte zu einem respektvolleren Umgang miteinander beitragen. Dies gilt im kleinen Masse für unsere Schweizer Heimat aber auch in Grösserem für unsere (mittel-) europäische, oft als westlich titulierte Kulturgeschichte, in der fast 800 Jahre massgebliche islamische Prägung teilweise aus historischen Gründen und zu weilen aus Unkenntnis um die originären Quellen ausgeblendet ist.