Tages-Anzeiger vom 6. Juni 2017: «Leserbrief – Dem Frieden nicht dienlich»

Jun 6, 2017 | Archiv, Medienspiegel

Leserbrief von Imam Muris Begovic betreffend dem Tages-Anzeiger Artikel “Fasten kann dick machen” vom 30. Mai 2017 und die darin enthaltenen überflüssigen unqualifizierten Sticheleien gegen unsere Religion und wider die geschichtliche Quellenlage.

Unter anderem wird in diesem Artikel die muslimische Praxis des Ramadan mit “Sie schlingen und sie schaufeln, gesund ist das nicht” untertitelt, die Aggression der Mekkaner als “Guerillakrieg” gegen die Mekkaner verkehrt und der letzte Gesandte Gottes an die Menschheit (saw) als jemand dargestellt, dem die Juden von Medina verhasst gewesen wären und er, “Mohammed” (saw) hätte diese u.a. auch getötet.

Leserbrief

Muslime sind nicht nur Terroristen, sie sind auch fett

Tagtäglich werde ich mit negativen Schlagzeilen konfrontiert, wo meine Religion in den Dreck gezogen wird. Nacht für Nacht gehe ich zu Bett mit den Gedanken und Hoffnung, dass am nächsten Tag keine negativen Schlagzeilen über meine Heiligtümer gemacht werden. Alles was dem Muslim wichtig war und ist, wurde mittlerweile in den Dreck gezogen. Dazu haben oft Muslime selbst einen grossen Beitrag geleistet, wie zum Beispiel der selbsternannte und sogenannte Islamische Staat, der den Stempel des Propheten Muhammad zu seiner Flagge genommen hat. Gerade den Stempel der für die Muslime weltweit ein Symbol des Friedens darstellt, gebrauchen sie um ihre schrecklichen Gräueltaten zu verüben. Das ganze begründen sie noch mit dem Jihad und der Scharia. Wieder Begriffe die für Muslime positiv konnotiert sind. So ist der Begriff Jihad zu einem Synonym für den heiligen Krieg geworden – den es als solchen im Islam gar nicht gibt, sondern dieser vielmehr aus dem christlichen Kontext genommen wird – bedeutet Jihad die persönliche Anstrengung auf dem Wege Gottes.

Es sind also nicht viele – ich nennen sie einfachheitshalber so – Heiligtümer übriggeblieben, welche noch nicht in den Dreck gezogen wurden. Der gesegnete Monat Ramadan ist eine besondere Zeit für die Muslime, unabhängig davon wie sie diese Zeit leben. Manche sind so fromm und verzichten tagsüber auf das Essen und Trinken und andere sonst erlaubte Dinge, andere machen dies nur an arbeitsfreien Tagen, wobei Kranke, Reisende und diejenigen die es nicht aushalten können die Tage zu fasten, können für jeden verpassten Tag einen Hungrigen ernähren. Der Monat Ramadan war mir noch geblieben, dem ich mich freuen konnte ohne an negative Schlagzeilen denken zu müssen. Ja, bis zum 30. Mai 17 in dem der geschätzte Redakteur vom Tagesanzeiger Herr Thomas Widmer, diese Lücke füllt. Der Beitrag wird mit „Fasten kann dick machen“ betitelt, wo in acht Abschnitten bzw. mit acht Untertiteln der Versuch gemacht wurde den Ramadan zu erklären. Dabei scheint das Motto zu sein „Je negativer desto besser“ und dafür wird in der Gegenwart nach dem aller schlechtesten gesucht und wenn die Gegenwart keine negativen Schlagzeilen bietet um den Ramadan zu erklären, wird auch ins Ende 19-ten und anfangs 20-ten Jahrhunderts zurückgegriffen, um bei den damaligen Orientalisten „nachzufragen“ wie sie den Ramadan „erklärt“ haben.

Lieber Herr Widmer, dass die Meinungs- und Äusserungsfreiheit gilt und wir diese (Gott sei Dank) leben dürfen, bin ich mir völlig bewusst, denn dank dieser bin ich in der Lage diesen Leserbrief zu verfassen. Den Propheten Muhammad entgegen der islamischen Lehre als Judenhasser darzustellen ist weder dem gesellschaftlichen noch dem religiösen Frieden dienlich.

Sie machen sich zum Vertreter eines neuen Antisemitismus zwischen zwei Weltreligionen deren Theologie sie nicht erlernt haben und Predigen den ‚Hass’ zwischen Muslimen und Juden. Ein Hass, den weder Muslime noch Juden über zwölfhundert Jahre erkennen konnten und erst in der neueren Geschichte im politischen Konflikt des Nahen Ostens seinen Missbrauch findet.

Diese Art der Berichterstattung schadet unserem Zusammenleben und fördert Konflikte.
Ich bitte Sie als Journalist, Ihre gesellschaftliche Verantwortung und die damit verbundenen Rechte und Pflichten sowie den Anspruch an die Qualität der Berichterstattung, insbesondere der Wahrheit, kritisch zu hinterfragen und stehe Ihnen gerne für einen persönlichen Austausch zur Verfügung.

Muris Begovic
Imam und Islamwissenschaftler

Der Leserbrief ist nur verkürzt und nur in der Printausgabe des Tages-Anzeigers am 6. Juni 2017 unter dem Titel “Dem Frieden nicht dienlich” veröffentlicht worden.

Bildquelle: Screenshots von tagesanzeiger.ch vom 30.05.2017

Weitere Beiträge