Am Freitag, dem 23. April 2021 beging die VIOZ mit einem feierlichen Anlass 25 Jahre ihres Bestehens. Aufgrund der Covid-Pandemie fand die Jubiläumsfeier jedoch mit einem Jahr Verspätung und in einem Online-Format statt, was die Freude der Anwesenden über den schönen Anlass nur wenig betrüben mochte.
Die muslimische Gemeinschaft im Kanton Zürich wurde an der Geburtstagsfeier ihres Dachverbandes mit namhaften Rednerinnen und Rednern sowie Gästen beehrt. Es sprachen Mahmoud El Guindi, der bisherige Präsident der VIOZ, Regierungsrätin Jacqueline Fehr, Vorsteherin der Direktion der Justiz und des Innern, Franziska Driessen, Präsidentin des Synodalrats der römisch-katholischen Kirche im Kanton Zürich, Michael Künzle, Stadtpräsident von Winterthur, Michel Müller, Kirchenratspräsident der reformierten Landeskirche im Kanton Zürich, Christof Meier, Leiter der Integrationsförderung der Stadt Zürich, Lars Simpson, Pfarrer der Christkatholischen Kirchgemeinde Zürich, sowie Montassar BenMrad, Präsident der Föderation islamischer Dachorganisationen Schweiz (FIDS). Rabbiner Noam Hertig von der Israelitischen Cultusgemeinde (ICZ) und Rabbiner Ruven Bar Ephraim von der Jüdischen Liberalen Gemeinde Or Chadasch wandten sich ebenfalls mit Videobotschaften an das Publikum. Der Abend wurde moderiert von Muris Begovic, dem Geschäftsführer der VIOZ. Es waren zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter muslimischer Gemeinschaften, verschiedener Religionsgemeinschaften, Behörden und zivilgesellschaftlicher Organisationen zugeschaltet.
Muris Begovic begrüsste die Anwesenden herzlich und leitete den Abend mit einem feierlichen Akt ein: Mahmoud El Guindi, langjähriger Präsident der VIOZ, hatte an der Vereinsversammlung im März 2021 seinen Rücktritt erklärt. In Anerkennung seines unermüdlichen Engagements für die muslimische Gemeinschaft im Kanton Zürich, hat der VIOZ-Vorstand beschlossen Mahmoud El Guindi zum Ehrenpräsidenten der VIOZ zu ernennen. In seiner neuen Rolle als Ehrenpräsident ging Mahmoud El Guindi anschliessend mit einer Ansprache zum inhaltlichen Teil des Abends über. Darin gedachte er dreier, kürzlich verstorbener Persönlichkeiten, die direkt oder indirekt mit der VIOZ zu tun hatten – dem Schweizer Theologen Hans Küng, der sich mit seiner Weltethos-Idee für den interreligiösen Dialog engagierte und ein profunder Kenner des Islams war, Ismail Amin, dem Mitgründer und ehemaligen VIOZ-Präsidenten, der sich massgeblich an der Schaffung des ersten muslimischen Grabfeldes auf dem Friedhof Zürich-Wittikon beteiligte und Peter Wittwer, dem Beauftragten für Ausländerfragen in der Stadt Zürich zur Gründungszeit der VIOZ, welcher den Musliminnen und Muslimen den Auftritt mit einer gemeinsamen Stimme empfahl. Mahmoud El Guindi verwies darauf, dass weder Ismail Amin, noch Peter Wittwer mit ausländischen Organisationen liiert waren, weshalb die unbelegte Behauptung einer externen Beeinflussung der VIOZ völlig unverständlich sind. Getreu dem Motto «Sterben und sterben lassen» hat die Stadt Zürich die Musliminnen und Muslime in den 1990-ern rund um die Frage der Bestattung geeinigt, wohingegen der Kanton Zürich sie nach dem Motto «Leben und leben lassen» heute mit der entsprechenden Unterstützung für das Leben einigt. Die heute im Vorstand aktiven Secondos und Secondas haben mit dem Kanton Zürich, konkret mit der Regierunsgrätin Jacqueline Fehr und dem Departement für Justiz und Inneres einen verlässlichen Partner. Mahmoud El Guindi verwies in seiner Rede zu guter Letzt auch auf die Hoffnung auf eine «richtige» Moschee, welche die meisten Musliminnen und Muslime in Zürich noch immer hegen.
Da aufgrund der Covid-Regelungen kein entsprechender Gedenkanlass für Ismail Amin stattfinden konnte, wurde ihm im Rahmen der Jubiläumsfeier gedacht mit einer Schweigeminute, bzw. einem Bittgebet.
Danach wandte sich Regierungsrätin Jacqueline Fehr, Vorsteherin der Direktion der Justiz und des Innern mit einem Grusswort an das Publikum. Regierungsrätin Fehr verwies auf die wichtige Brückenbauerrolle der VIOZ, die auch während der Covid-Pandemie mit entsprechender Informationsvermittlung und der Erarbeitung von Schutzkonzepten und sonstiger Leitfäden als Beratungs- und Koordinationsstelle konstruktiv einen Beitrag zur Gesamtsituation leisten konnte. Jacqueline Fehr ging auch auf wichtige und bereits sehr erfolgreiche Projekte ein, in Kooperation zwischen dem Kanton Zürich und der VIOZ, wie die Sicherstellung der muslimischen Seelsorge in öffentlichen Institutionen über die Trägerschaft QuaMS, die Weiterbildung für Imame und muslimische Betreuungspersonen «Zürich-Kompetenz» und die Stärkung der Strukturen der VIOZ im Rahmen des Programms «Teilhabe». So ist der Schritt über den reinen Dialog hinaus getan, hin zur Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Gleichzeitig verwies Regierungsrätin Fehr aber auch auf die Verantwortung der muslimischen Gemeinschaft, bzw. der VIOZ, die nicht darum herumkommen wird, ihre finanzielle und organisatorische Situation aus eigener Kraft zu verbessern – wie dies nun bei 26-Jährigen sei. Das kantonalzürcherische Nein bei der Burka-Initiative hat klar gezeigt, dass dort wo es echte Begegnungen gibt und Engagement für das gemeinsame Zusammenleben, solche Ausgrenzungsinitiativen keine Chance haben. Ebenso war dies aber auch ein Signal: Die Zeiten, in denen über die Muslime geredet wird, sind vorbei. Nun ist es an der Zeit mit Musliminnen und Muslimen zu sprechen, sie zu unterstützen in ihren Vorhaben und sie an der Gesellschaft teilhaben zu lassen.
Nach Regierungsrätin Jacqueline Fehr richtete Franziska Driessen-Reding, Synodalratspräsidentin der katholischen Kirche im Kanton Zürich ein Grusswort an die Gäste aus. Muslimische Gemeinschaften müssen gemäss Franziska Driessen-Reding auch heute noch um gesellschaftliche Anerkennung und Akzeptanz ringen, obwohl Menschen muslimischen Glaubens eine relevante Grösse in unserer Gesellschaft darstellen. Gleichzeitig verwies Franziska Driessen-Reding aber auch auf die Erfolge der letzten Jahre, beispielsweise im Bereich der Seelsorge und des interreligiösen Dialogs und darauf, dass gesellschaftliche Prozesse Zeit brauchen. Sie zog Parallelen zur Geschichte der Katholiken im Kanton Zürich, deren Integrationsprozess vom ersten offiziellen Gottesdienst in Winterthur im Jahr 1862 bis zur öffentlich-rechtlichen Anerkennung der römisch-katholischen Körperschaft im Jahr 1963 insgesamt 100 Jahre dauerte. Essentiell dabei war der interreligiöse Dialog und das Abbauen von Vorurteilen. Am interreligiösen Dialog, der gegenseitigen Unterstützung und Wertschätzung, sowie der Bildungsarbeit muss auch weiterhin festgehalten werden, während die «älteren» Religionsgemeinschaften in der Verantwortung gegenüber den «jüngeren» stehen. Im Kanton Zürich gibt es keine «Mehrheitskonfession» mehr. Ein immer grösser werdender Teil der Bevölkerung bekennt sich zu gar keiner Religion, weshalb religiöse Gemeinschaften in der säkularen Gesellschaft gemeinsam eine Minderheit sind. Dennoch haben diese eine wichtige Botschaft für die Sehnsüchte der Menschen in der modernen Welt.
Michael Künzle wandte sich als Stadtpräsident von Winterthur an die Anwesenden. Er verwies auf die wichtige Rolle gemässigter Stimmen, wie der VIOZ, die sich in emotional aufgeladenen Zeiten, für den gesellschaftlichen Dialog engagieren. Die Stadt Winterthur lernte die VIOZ als eine dieser Stimmen kennen, unter sehr schwierigen Umständen, als junge Menschen muslimischen Glaubens aus Winterthur in den Krieg nach Syrien zogen. Dies machte den Bedarf nach einer Vertiefung des Kontakts, des Austauschs und der Schaffung einer gemeinsamen Basis für die weitere Zusammenarbeit deutlich. Dialog, Austausch, Konsens und Verständnis sind elementare Werte für die Arbeit der VIOZ, ebenso wie für die Integrationsarbeit der Stadt Winterthur. Obwohl dies einfacher geschrieben als gelebt ist, soll dies nicht davon abhalten, den eingeschlagenen, manchmal beschwerlichen Weg, unbeirrt weiterzugehen. Verlässliche Partnerschaften, wie zwischen der Stadt Winterthur und der VIOZ sind dabei eine wichtige Unterstützung.
Michel Müller richtete als Kirchenratspräsident der reformierten Landeskirche im Kanton Zürich ein Grusswort an die Beteiligten. Er ging auf die Diversität der muslimischen Gemeinschaft ein, welche durch die Mitgliedsorganisationen der VIOZ zum Ausdruck kommt. Michel Müller erwähnte auch gewisse Ähnlichkeiten in der Theologie zwischen dem reformierten Christentum und dem Islam, welche trotz aller Unterschiede vorhanden sind, wie z. B. das Bilderverbot oder auch die Ablehnung eines Klerus. Er ging auf die «gegenläufige Bewegung» bei den Zugehörigkeitszahlen von Religionsgemeinschaften, so dass es mittlerweile 100’000 Muslime im Kanton Zürich gibt und «noch» 400’000 reformierte Christen. Dies solle nicht zu einem Konkurrenzdenken unter den Religionsgemeinschaften führen, da die meisten Menschen nach ihrem Austritt konfessionslos werden. Die Frage des Umgangs mit einer säkularen Gesellschaft ist eine gemeinsame Herausforderung aller Religionsgemeinschaften. In diesem Sinne ist das Lernen voneinander und der Dialog untereinander von grosser Wichtigkeit.
Christof Meier wandte sich als Vertreter der Stadt Zürich und Leiter der Integrationsförderung auch mit einer Ansprache an die Anwesenden. Er sprach über die Zusammenarbeit der Stadt Zürich und der VIOZ, welche viele kleinere und grössere Verbesserungen für den muslimischen Alltag und das interreligiöse Zusammenleben beitragen konnte. Trotz ihrer strukturellen Schwierigkeiten konnte die VIOZ auch in schwierigen Zeiten stets die Kraft für ein konstruktives gesellschaftliches Engagement aufbringen. Sie bewährte sich als Stimme der Musliminnen und Muslime für den interreligiösen Dialog und das gemeinsame Zusammenleben.
Auch wenn die Vertreter der jüdischen Gemeinschaften aufgrund der Sabbatfeier nicht physisch präsent sein konnten, sandten sie zwei Videobotschaften für die Jubiläumsfeier der VIOZ. Rabbiner Noam Hertig von der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich ging auf die verbindenden Elemente zwischen dem Judentum und dem Islam sowie den real gelebten jüdisch-muslimischen Dialog in Zürich ein, der auch ein zentraler Pfeiler in der Arbeit der VIOZ ist, z. B. im Rahmen von Begegnungen beim «Project Respect», bei der Wanderausstellung zu jüdisch-muslimischen Freundschaften oder auch beim Dialogpreis der Schweizer Juden, welcher Rabbiner Noam Hertig und Imam Muris Begovic übergeben wurde. Rabbiner Ruven Bar Ephraim von der Jüdisch Liberalen Gemeinde Or Chadasch füllte in seiner Videobotschaft die Buchstaben in der Abkürzung «VIOZ» mit spannenden neuen Bedeutungen: V für Verbindung im Sinne des interkulturellen Dialogs; I für diesen interkulturellen Dialog und die Integration der Musliminnen und Muslime; O für Offenheit und Z für Zeichen – die VIOZ als ein Zeichen für eine offene und vielfältige Gesellschaft. Rabbiner Bar Ephraim machte auch eine Referenz auf einen zentralen Vers aus der aktuellen Thora-Lesung aufmerksam, der auch für die Arbeit der VIOZ steht: «Liebe deinen nächsten wie dich selbst».
Lars Simpson, Pfarrer der Christkatholischen Kirchgemeinde Zürich richtete auch spontan einige Worte an die Anwesenden. Er ist vor allem über den interreligiösen Dialog verbunden mit der VIOZ. Unter anderem berichtete Lars Simpson auch von einem traurigen Anlass, der ihn noch mehr mit der muslimischen Gemeinschaft verband. Neben seiner britischen und schweizerischen Staatsbürgerschaft ist Lars Simpson auch Neuseeländer, weshalb ihn der Terroranschlag auf die Moschee in Christchurch-Neuseeland besonders mitnahm. Er organisierte daraufhin zusammen mit Vertreterinnen und Vertretern des Interreligiösen Runden Tisches einen Gedenkanlass, im Rahmen dessen sie eine halbe Stunde lang schweigend standen, in Verbindung mit Musliminnen und Muslimen, welche zu dieser Zeit das Freitagsgebet verrichteten. Diese interreligiöse Arbeit gegen Hass für den Frieden wird auch in Zukunft fortgeführt werden.
Den Abschluss des inhaltlichen Teils übernahm Montassar BenMrad, der Präsident der Föderation Islamischer Dachorganisationen Schweiz (FIDS). Dabei ging er auf die wichtige Rolle der VIOZ als Dialogpartner für Religionsgemeinschaften, Behörden, Universitäten, NGO’s etc. ein. Die FIDS ist stolz darauf, die VIOZ als Mitglied zu haben und die Zürcher Muslime als Pioniere, beispielsweise im Bereich der Seelsorge und der Weiterbildung von Imamen und muslimischen Betreuungspersonen. Dies alles konnte auch dank der grossen ehrenamtlichen Leistung der VIOZ und ihrer Mitgliedsorganisationen erreicht werden.
Aufgrund der Onlineform des Anlasses stellte sich die Frage eines musikalischen Begleitprogrammes. Da ein solches mit den gegebenen Mitteln technisch nur schwer umsetzbar gewesen wäre, war der Abend geprägt von den reichhalten Ansprachen der Referentinnen und Referenten, welche wie Musik in den Ohren der Gäste wirkten. Die letzten Minuten vor dem Fastenbrechen wurden mit der Präsentation eines Videos verbracht, in welchem die VIOZ und ihre bisherigen Tätigkeiten vorgestellt wurden. Danach folgte der Gebetsruf durch Imam Mehas Alija, von der Moschee El-Hidaje in St. Gallen. Die Jubiläumsfeier fand anschliessen ihren Ausklang im gemeinsamen Fastenbrechen mit den Datteln, welche zuvor gemeinsam mit der Einladung versandt wurden.
An dieser Stelle ein grosses Dankeschön im Namen der VIOZ an alle Referentinnen und Referenten, die anwesenden Vertreterinnen und Vertreter der VIOZ-Mitgliedsorganisationen, die Vertreterinnen und Vertreter muslimischer Organisationen, religiöser Gemeinschaften, Behörden, zivilgesellschaftlicher Organisationen und allen Gästen, welche gemeinsam das 25-jährige Jubiläum der VIOZ bereicherten!
Die Rede von VIOZ-Ehrenpräsident Mahmoud El Guindi finden Sie unter dem folgenden Link.
Das Grusswort von Regierungsrätin Jacqueline Fehr finden Sie unter dem folgenden Link.
Das Grusswort von Synodalratspräsidentin Franziska Driessen-Reding finden sie unter dem
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