Wie oft und wie lange muss die muslimische Gemeinschaft in der Schweiz auf den grassierenden antimuslimischen Rassismus und die Bedrohung von Musliminnen und Muslimen in unserem Land hinweisen? Wie viele Musliminnen und Muslime müssen beleidigt, bedroht, angespuckt, geschlagen, angeschossen oder erstochen werden, bis es heisst: Genug ist genug. Ihr seid auch ein Teil von uns. Euer Leben und eure Sicherheit sind es auch wert geschützt zu werden?
Es ist gerade die Mitte des gesegneten Monats Ramadan. Ein besonderer Monat für Musliminnen und Muslime weltweit. Es ist eine Zeit der Gemeinschaft, des Miteinanders aber auch des Alleinseins und der persönlichen Besinnung. Trotz vieler Ansätze diesen Monat zu einer besonderen Zeit zu machen, so dass ihn auch Musliminnen und Muslime in der Schweiz in vollen Zügen erleben können, gelingt das nur mässig. Es gelingt nicht, weil der antimuslimische Rassismus gerade Hochkonjunktur erlebt.
In Bad Ragaz werden Vater und Sohn mit einem Messer angegriffen und aufs schwerste verletzt, nur weil sie aus dem Libanon stammten und Muslime sind. Wie so oft heisst es in den Medien: «Es gilt die Unschuldsvermutung» und später wird es wohl heissen: «Beim Täter handelt es sich um eine verwirrte Einzelperson». Wer soll nun diese Tat verurteilen? Ist hier eine ausserordentliche Pressekonferenz der kantonalen Sicherheitsdirektion zu erwarten? Bekommen Musliminnen und Muslime wenigstens ein schönes Wort und die Zusicherung, dass eine solche Tat zu verurteilen ist und Musliminnen und Muslime gleichberechtigte Bürger dieses Landes sind, von der Politik, von den Medien, aus der Zivilgesellschaft, von anderen Religionsgemeinschaften? Oder ist die Erwartung, dass einzig muslimische Gemeinschaften hierzu öffentlich etwas sagen sollen?
Trotz des Ansatzes in Schweizer Grosshändlergeschäften „Ramadan-Artikel“ anzubieten, was Schweizer Musliminnen und Muslime sehr erfreut hat, sind die Kommentare in den sozialen Medien beängstigend. Fast in jedem Kommentar ist antimuslimischer Rassismus zu lesen, ohne dass dabei an Beleidigungen und Herabsetzungen gespart wird.
Anstatt in den heutigen Medien zu lesen, wie die antimuslimische Messerattacke von Bad Ragaz zu verurteilen ist, liest man wieder darüber, wie sich der 15-jährige Attentäter von Zürich wohl in einer Moschee radikalisiert hat.
Die Dynamik ist klar: Wie in früheren Fällen, z. B. beim Moschee-Attentat von 2016, handelt es sich bei antimuslimischen Angriffen wie in Bad Ragaz um verwirrte Einzeltäter. Es gilt die Unschuldsvermutung und die Signale der Solidarität in der Gesellschaft tendieren gen Null. Umgekehrt wissen offenbar alle, von Politik, über Medien bis zum Bürger auf der Strasse, dass es einzig und allein sein muslimischer Hintergrund war, der den Attentäter von Zürich zu seiner Tat bewegte und nicht etwa eine misslungene Sozialisation in der Kindheit, psychische Probleme oder seine gesellschaftliche Isolation.
Obwohl sich die muslimische Gemeinschaft klar und deutlich, in Wort und Tat, von der Attacke in Zürich distanziert hat, wird in den Medien bewusst ein Generalverdacht geschürt. Musliminnen und Muslime werden ohne ihr Zutun in die Nähe von Extremismus gerückt.
Obwohl der Imam der Zürcher Friedensmoschee, Fahredin Bunjaku, in einer Kirche, zusammen mit christlichen, jüdischen und staatlichen Vertreterinnen und Vertreter auftritt, wird seine Glaubwürdigkeit in Frage gestellt. Damit nicht nur seine, sondern die Glaubwürdigkeit aller Musliminnen und Muslime in Zürich und in der Schweiz. Das ist purer antimuslimischer Rassismus.