VIOZ-Stellungnahme vom 28. Oktober 2016: «Radikalisierung – Das Problem wird neu verortet»

Okt 28, 2016 | Archiv, Medienspiegel

Stellungnahme zur voraussichtlichen Schliessung der An’Nur Moschee in Winterthur

«Radikalisierung – Das Problem wird neu verortet»

Die Vereinigung der Islamischen Organisationen in Zürich ist der Dachverband fast aller Moscheen im Kanton Zürich. Sie schlossen sich in der VIOZ zusammen um kantonal übergeordnete Aufgaben, ähnlich den anerkannten Landeskirchen, wahrnehmen zu können. Seit der Gründung vor 20 Jahren besteht daher im Kanton Zürich ein Ansprechpartner innerhalb der muslimischen Gemeinschaften und auch gegenüber den Behörden und der Öffentlichkeit. VIOZ vertritt nicht nur ihre Mitgliedsgemeinden, sondern übernimmt auch religiöse Aufgaben für jene 70% Muslime, die nicht Mitglied in den Gemeinschaften sind und sich bspw. nur in Notsituation an unsere Seelsorge wenden oder bei Todesfällen um eine muslimische Bestattung bitten.
Es ist ein zentrales Anliegen der muslimischen Gemeinschaft im Kanton Zürich den demokratischen Rechtsstaat und unsere freiheitliche Gesellschaftsordnung mitzutragen und ein friedliches, respektvolles und sicheres Miteinander zu ermöglichen.

Daher darf die Unterwanderung durch Sympathisanten von Irrlehren wie die des Daesh, des sog. IS, und insbesondere derer, die unser aller Kinder durch ihre Agitation gefährdenden nicht passiv geduldet, sondern muss aktiv durch Massnahmen ’gebodigt’ werden.
VIOZ ist nicht als öffentlich-rechtliche Institution anerkannt und hat daher oft nicht die nötigen Befugnisse Massnahmen durchzusetzen. Trotzdem kann und muss VIOZ als Teil der Lösung die verantwortlichen Institutionen im Kampf gegen die Unterwanderung gesellschaftsfeindlicher Kräfte nach ihren Möglichkeiten unterstützen. Diese Unterstützung leistet sie u.a. durch Aufklärung und Dialog innerhalb der muslimischen Gemeinschaft und mit den Behörden.Die Schliessung einer Moschee, in der alle Indizien darauf hinweisen, dass sich dort radikalisierte Besucher treffen ist nur dann sinnvoll, wenn die Moscheeleitung selbst dies mitträgt oder fördert. Das Ziel sollte sein das Problem zu lösen statt neu zu verorten.
Im Fall der An’Nur Moschee in Winterthur fehlen Urteile um ein rechtsstaatlich klares Bild zu gewinnen bzw. bis dato eine behördliche Klarstellung über die tatsächliche Lage den Verein betreffend. Aus diesem Grund gab es keine Schliessung der Moschee seitens der Behörden, trotz Mediendruck.

Das Problem selbst wird aber nun eher verlagert als gelöst und es trifft eventuell die Falschen. Einerseits werden radikalisierte Personen nun in anderen Moscheen – in Winterthur oder anderen arabisch sprechenden Vereinen – ihr Freitagsgebet verrichten und damit dann diese in Misskredit bringen und andererseits wird es für die Ermittlungsbehörden, aber auch für Fachstellen schwieriger ihre Arbeit zu machen.

Letzteres lässt sich bereits in Liestal (BL) beobachten, wo gemäss «Basellandschaftlicher Zeitung» nach der Schliessung einer Moschee vor einigen Wochen, bei der ebenfalls Personen wie in Winterthur unter Beobachtung standen, nun “über allfällige heutige Aktivitäten” wenig bekannt zu sein scheint.

Lösungen sieht VIOZ nebst klaren Bekenntnissen zu unseren gemeinsamen Gesellschaftswerten in ihren Forderungen nach mehr Transparenz, wie es wohl die meisten Parteien unterstützen, und nach mehr Qualifikation und Qualität in unserer Verbands- und Gemeindearbeit.
Und ja, dies hängt mit übergeordneten Themen wie Anerkennung, Ausbildung und weiteren Themen zusammen, will man nicht nur Symptomen hinterherjagen, zu Lasten des inneren Friedens, des Respekts und der Sicherheit.In Zürich gibt es einen geeigneten Ansprechpartner für eine Anerkennung. Die 90’er Jahre Mär vom Fehlen eines Ansprechpartners sollte nun wirklich das Zeitige segnen. Mit über 80% aller Gemeinschaften repräsentiert VIOZ mehr als jede anerkannte Religionsgemeinschaft im Kanton Zürich dies jemals tat und die Bekenntnisse zum freiheitlichen, demokratischen Staat sowie das Werte konforme Handeln danach wurde nun genug oft unterstellend hinterfragt.Ein Rede- bzw. Gesinnungsverbot innerhalb von privaten Vereinen, wie es u.a. gefordert wird, einzuführen ist naives Wunschdenken und realitätsfern. Die Täter werden dadurch von nichts gehindert, den Muslimen aber pauschal unterstellend mehr zur Last gelegt.
Imame sollen gleichwertig hier sozialisiert und ausgebildet werden können und Anstellungsbedingung erhalten, die diesem Amt gebühren und in institutionell stabilen und strukturell eingebundenen Gemeinschaften angeboten werden können.Die Kosten – ein weiteres Phantom der Anerkennungsdiskussion – die der muslimischen Gemeinschaft dadurch erwachsen, kann diese ebenso tragen wie die heutigen Landeskirchen, wenn sie auch in dieser Hinsicht gleichbehandelt wird.

Die Forderung seitens einzelner Politiker, dass die Stadt Winterthur gegebenenfalls dem Verein einen von diesem selbst finanziell getragen Raum unter strikten Auflagen anbieten solle scheint zunächst ein Affront für all diejenigen zu sein, die den Verein nicht als Opfer ihrer Besucher sehen, sondern eine Mittäterschaft vermuten.
Das ein solcher Schritt zumindest die Nachteile des Abtauchens oder des Verteilens subversiver Gesellschaftselemente auf die anderen funktionierenden Gemeinschaften dämpfen könnte ist ebenso nachvollziehbar, wie den Erhalt einer arabisch sprechenden Moschee in Winterthur, für die es offensichtlich einen Bedarf gab und weiterhin gibt. Idealerweise kann dies bspw. die neu geschaffene Fachstelle bewerten, einordnen und ggfs. begleiten.

Hierzu gehören auch verschiedene Sondermassnahmen, die man vor der Debatte um die Schliessung bereits erwog. Dazu gehören finanzielle Transparenz, Anforderungen in der Wahl des Predigers oder Imams bis hin zur Regelung von Öffnungszeiten, die den Aufsichtsmöglichkeiten der Moscheeleitung entsprechen. Um verlorenes Vertrauen wiederherzustellen und auch um Unterstützung in Bereichen zu erhalten, wo dem Verein eigene Ressourcen fehlen, sollte es im Interesse des Vereins sein eine solche Lösung in Erwägung zu ziehen.
Auch die entwickelten Strukturen auf behördlicher Seite, insbesondere die neu geschaffenen Winterthurer Fachstellen gegen Radikalisierung sowie der polizeiliche Brückenbauer, könnten davon profitieren ohne einen wichtigen Anknüpfungspunkt zu verlieren.

Wie sich die Behörden auch entscheiden, VIOZ wird sich weiterhin innerhalb der Gemeinschaften entsprechend engagieren und als gesellschaftlicher Partner akute und übergeordnete Lösungen unterstützen.

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